Droja gewinnt – Newsletter Dezember 2023

Droja gewinnt – Oder: Wie man seine Interessen durchsetzt

Bevor jetzt zahlreiche Belehrer aufspringen, es ist bekannt: Die antike Stadt in Kleinasien schreibt sich vorne mit T. Droja ist ein Kunstwort. Es setzt sich aus Anfangsbuchstaben zweier Verben zusammen und steht für eine bewährte Methode, Interessen durchzusetzen. Die richtigen Leute müssen sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort Gehör verschaffen und wahlweise drohen und jammern.

Börsenstrompreise 2021 bis 2023
Strombörse Strompreis-Entwicklung / 100 Euro für eine Megawattstunde Strom entspricht 10 Cent für eine Kilowattstunde

Jüngstes Beispiel: Der Industrie- oder Brückenstrompreis. Nein, seinem Wortsinn wird er nicht gerecht. Sonst müsste er sicherstellen, dass die industriellen Großenergieverbraucher bis 2030 Strom günstig selbst produzieren. Doch dahin führt die Brücke nicht.

Wie setzt man Interessen durch? Sinnvollerweise fängt man dort an, wo der größte Widerstand zu vermuten ist oder das angeschlagene Image keinen neuen Schaden nehmen soll. Wirtschaftsminister Robert Habeck stand wegen seines Heizungsgesetzes bereits im Bierverschiss fast aller Stammtische. Da kann er sich nicht auch noch das Etikett als Deutschlands De-Industrialisierer ans Revers heften lassen. Also drohen Manager und Industrieverbände mit Abwanderung großer Betriebe und dem Verlust tausender Arbeitsplätze. Grund: die hohen Strompreise für die Industrie, vor allem für die Großabnehmer. Sie seien nicht mehr wettbewerbsfähig, jammern sie. Da muss ein Wirtschaftsminister doch …? Auch ein Grüner. Im Mai fordert Habeck 6 Cent pro Kilowattstunde Strom für Großabnehmer. Den Rest der Rechnung übernehme der Staat. Erblickt da eine neue Subvention das Licht der Welt? Geschätzter Umfang: 3 Milliarden Euro bis 2030. Die Lobbyisten sind übrigens Wiederholungstäter. Die letzte Stromaktion organisierten sie vor 9 Jahre. Die Argumente waren dieselben.

Jetzt setzt ein konzertiertes Droja-Trommeln ein, denn die SPD mit Kanzler Olaf Scholz hält sich noch bedeckt. Da gelingt es der Großindustrie, den Deutschen Gewerkschaftsbund ins Boot zu holen. Nicht nur, wie sonst üblich, stimmt die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in den Lobbychor ein, auch Dachverband und IG Metall tönen mit. Ein Schelm, wer glaubt, die Ehebande zwischen DGB-Chefin Yasmin Fahimi und IG BCE-Chef Michael Vassiliadis spielten da eine Rolle. Und die Drähte Fahimis als frühere Bundestagsabgeordnete, Staatssekretärin und SPD-Generalsekretärin blieben sicher völlig ungenutzt. Die lautstarken Gewerkschafter erreichen jedenfalls des Kanzlers Gehörgang.

Fast geübte Normalität in der Ampelkoalition: Die FDP hält von Grünen-Vorschlägen ganz wenig. Finanzminister Christian Lindner hält es für fairer, die Stromsteuer auf null zu setzen. Das entlaste alle Strombezieher. Zur Subvention merkt er an: Es könne nicht sein, dass Bürger und Mittelstand für wenige Konzerne den Strompreis subventionierten. Wenn die Liberalen diese Vernunft doch bei allen unnötigen Subventionen walten ließen?! Unter ihrer Regierungsmitarbeit sind zahllose Subventionen für Großstromverbraucher entstanden. Die Stromgeschenke hatten allein 2018 einen Wert von 13,6 Milliarden Euro. Kein Wunder, dass im Gegenzug der Strompreis für alle Nicht-Privilegierten mehr als doppelt so hoch ist.

Im November fanden die rot-gelb-grünen Oberindianer dann doch noch einen Kompromiss. Strompreispaket heißt das, gleich für 2024 und 2025. Und wenn das Geld dafür da ist. soll es bis 2028 jährlich ausgeliefert werden. Kostenpunkt: bis zu 12 Milliarden Euro pro Jahr. Wofür? Geringe Stromsteuer von 0,05 Cent pro Kilowattstunde für das produzierende Gewerbe. Diese Senkung finanziert der Steuerzahler. Erlass der CO2-Abgaben für 350 stromintensive Unternehmen. 90 besonders große Stromverbraucher erhalten zusätzlich einen Nachlass auf die Kosten des CO2-Emissionshandels. Ein kleines süßsaures Bonbon für Privathaushalte: Die Abgabe für den Ausbau der Netze als Teil der Stromrechnung bleibt stabil. Die Betreiber der großen Stromtrassen erhalten 5,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Da freut sich der Stromkunde nur kurz, denn als Steuerzahler finanziert er das Zuckerle mit.

Und die Daten und Fakten? Die Großhandelspreise für Strom liegen seit Beginn des Jahres bei rund 10 Cent pro Kilowattstunde. „Auch die Entwicklung auf dem Terminmarkt zeigt, dass die Markterwartungen bis 2030 bei einem Preisniveau zwischen acht und fünfzehn Cent pro Kilowattstunde liegen“, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

Wie wäre es also, wenn die Großstromverbraucher sich aufmachen, ihren Strom zusammen mit benachbarten Unternehmen, die ebenfalls oft über große Hallendächer und Parkplätze verfügen, selbst zu produzieren. Um diese Option zu forcieren, könnte Wirtschaftsminister Habeck endlich Erneuerbare Energiegemeinschaften zulassen, die diesen Namen verdienen. Eine EU-Richtlinie fordert diese seit 2018. Wir von GermanZero haben Habeck bereits aufgefordert, solchen Zusammenschlüssen alle Abgaben zu erlassen. Zwei Abgaben hat er zum Jahresanfang 2023 für selbst produzierten Strom bereits gestrichen. Da kann er noch eine volle Schippe drauflegen, wenn ihm die Energiewende etwas wert ist.

Das ganze Lobbytheater könnte nun jedoch ausgehen wie das Hornberger Schießen. Bis ins nächste Jahr passiert jedenfalls nichts. Im Bundeshaushalt klafft nach einem Urteil des Verfassungsgerichts ein 60 Milliarden-Euro-Loch. Vielleicht besinnen sich die Großunternehmen auf ihre ureigene Aufgabe und unternehmen etwas und produzieren Strom selbst. Die Investition rentiert sich rasch und Strom bleibt dann zwei, drei Jahrzehnte wirklich günstig. Andere Marktteilnehmer und Steuerzahler müssten zudem alte und neue Privilegien nicht weiter finanzieren. Die Bundesregierung wäre gut beraten, ihr Haushaltsloch durch Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen zu schließen. Da geht es nicht um einmalig 60 oder 70 Milliarden Euro. Die Steuerzahler finanzieren diese Staatshilfen jedes Jahr.

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